Kommunalpolitische Repräsentation und gesellschaftliche Vielfalt

Laura Dinnebier, Prof. Dr. Andreas Blätte & Merve Schmitz-Vardar

Rund 60 Prozent der KommunalpolitikerInnen deutscher Großstädte haben schon Anfeindungen und Aggressionen erlebt, das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Duisburg-Essen/NRW School of Governance. Sie wurde von Andreas Blätte, Laura Dinnebier und Merve Schmitz-Vardar in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung erstellt und wird heute in Berlin präsentiert. Die Studie trägt den Titel „Vielfältige Repräsentation unter Druck: Anfeindungen und Aggressionen in der Kommunalpolitik“.

Für die Studie wurde die ganze Breite der kommunalpolitisch Engagierten – Ratsmitglieder, Bürgermeister:innen und politische Wahlbeamt:innen – befragt. „Dass über die Hälfte von ihnen schon Anfeindungen und Aggressionen erlebt haben, ist in unserer demokratischen Gesellschaft auf keinen Fall zu akzeptieren,“ stellt Jan Philipp Albrecht, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, fest.

Erfahrungen mit Anfeindungen und Aggressionen sind von Großstadt zu Großstadt verschieden; die landläufige These, dass dieses Problem besonders ausgeprägt in den ostdeutschen Städten sei, bestätigt sich nicht. Unter den Städten mit den meisten Berichten über Anfeindungen sind Städte aus Sachsen, Thüringen, Bayern und Nordrhein-Westfalen.

Die Studie ergab, dass alle KommunalpolitikerInnen unabhängig von Geschlecht, Migrationshintergrund oder ihrer sozialen Herkunft gleichermaßen von Anfeindungen und Aggressionen betroffen sind. Ihr Umgang mit erlebten Erfahrungen variiert. Hier kann eine Unterstützung für die KommunalpolitikerInnen direkt ansetzen.

Aber nicht nur Betroffene ändern in einem aggressiver gewordenen Umfeld ihr Verhalten. Besonders alarmierend für den Diskurs in unserer Demokratie ist die Tatsache, dass sich ein Drittel deraller Befragten zu bestimmten Themen seltener äußert als früher. Auch fallen Reaktionen zwischen den Gruppen so unterschiedlich aus, dass Konsequenzen darauf, wer Politisches wie repräsentiert, erkennbar werden.

Erfreulich ist, dass sich über 90 Prozent der betroffenen Kommunalpolitiker:innen davon nicht abschrecken lässt und politisch weiterhin mitwirken will. Bedauerlicherweise erwägen knapp fünf Prozent einen Rückzug aus dem Politischen. Vor dem Hintergrund, wie schwer es mittlerweile geworden ist, Menschen für das demokratische (Ehren-)Amt auf kommunaler Ebene zu motivieren, sind diese fünf Prozent eine echte Bürde. Überproportional stark denken hier Frauen, politisch Engagierte mit Migrationshintergrund und Personen, die sich eher der unteren sozialen Schicht zu ordnen, über einen Rückzug nach – für eine
vielfältigere Kommunalpolitik ein ernstzunehmendes Hindernis.

Eingebettet ist diese Studie in die Vielfaltsstudie der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Reihe widmet sich der vielfältigen Repräsentation in der Kommunalpolitik. Hierfür thematisiert sie unterschiedliche Aspekte und liefert so Daten und Fakten zur oft fehlenden Sichtbarkeit der gesellschaftlichen Vielfalt in der politischen Repräsentation – sei es hinsichtlich einer Vielfalt der Geschlechter, hinsichtlich ihrer Migrationsgeschichte oder Hautfarbe, der sozialen Herkunft oder im Hinblick auf das Alter.

Zur Studie: Zwischen April und August 2022 waren in den deutschen Großstädten 5.763 KommunalpolitikerInnen aufgerufen, sich an der Befragung zu beteiligen. Teilgenommen haben 2.166 Personen. Aus methodischen Gründen wurden nur Großstädte in die Befragung einbezogen.

Die Studie „Vielfältige Repräsentation unter Druck: Anfeindungen und Aggressionen in der
Kommunalpolitik“ ist hier abrufbar.

Für das Autorenteam
Prof. Dr. Andreas Blätte

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