Im Fokus steht die Analyse von Prozessen innerparteilicher Willensbildung und Entscheidungsfindung, die in das komplexe Gesamtgefüge der Parteiorganisation eingebettet sind. Konzeptionell begreifen wir Parteien als fragmentierte Organisationen im Sinne ‚lose verkoppelter Anarchien’. Wie wird in Parteien über Personal-, Programm-, Koalitions- und Strategiefragen entschieden? Welche Akteure können ihre Interessen und Ideen im innerparteilichen Wettbewerb auf welche Art und Weise durchsetzen? Welchen Einfluss hat die Organisationsbeschaffenheit der Parteien auf das Akteursverhalten und umgekehrt? Wie stellen Parteien ihre kollektive Handlungsfähigkeit grundsätzlich sicher?
Zur Beantwortung dieser Fragen rekonstruieren wir die über die formale Satzung hinausgehende Organisationswirklichkeit der Parteien und spüren ihrer jeweils spezifischen Organisationskultur nach, um uns so der innerparteilichen Machtarchitektur anzunähern.
Weiterhin nehmen wir die Bestimmungsgründe für Stabilität und Wandel von Parteiorganisationen sowie die Entstehung neuer Parteien und die Ursachen und Prozesse ihrer Institutionalisierung in den Blick. Einzelne Projekte richten sich auf das Parteiensystem als Ganzes. Sie widmen sich der Identifikation historischer Entwicklungslinien und der Bestimmung von programmatischer Nähe und Distanz von Parteien, um daraus Schlüsse für Koalitionsbildung und Regierungstätigkeit ziehen. Der Fokus unserer Forschung liegt auf den Parteien im Bund und in den deutschen Ländern. Darüber hinaus gehende Forschungsperspektiven widmen sich der Programmatik, Organisationswirklichkeit und Funktion von Parteien im europäischen Kontext und in jungen Demokratien. Als Zusammenführung der vielen empirischen Studien arbeiten wir an der Theoriebildung zu Parteien als politischen Organisationen. Im Mittelpunkt steht die Fortentwicklung akteurzentrierter Ansätze, die individuelle Führungstechniken, formelle sowie informelle Institutionen und Machtzentren sowie die Bedeutung von innerparteilichen Faktionen und deren Interaktionen hervorheben.
Projektgruppe: Programmatische Willensbildung in Parteien
Programmatische Willensbildung in Parteien
Will man wissen, wofür eine Partei eintritt, welche Ziele sie verfolgt und welche Interessen sie vertritt, so hilft der Blick in ihr Wahl- oder Grundsatzprogramm. Programmatische Dokumente sind aber stets nur temporäre Kompromisse; bei ihrer Erstellung wird nicht selten mit harten Bandagen über den richtigen inhaltlichen „Kurs“ gerungen. Im innerparteilichen Wettbewerb konkurrieren Deutungsschemata und Policy-Präferenzen verschiedener Akteure und Gruppen. Die Integration bisweilen widersprüchlicher Problemdefinitionen und den daraus folgenden Politikzielen stellt für jede Partei eine grundlegende Herausforderung dar. Das trifft für demokratisch organisierte Mitgliederparteien in besonders hohem Maße zu. Angesichts steigender Partizipationserwartungen haben nahezu alle Parteien inzwischen ihre Beteiligungsarchitekturen ausgebaut. Sie experimentieren – gerade bei der Formulierung von Wahl- und Grundsatzprogrammen –mit neuen Formen der Mitgliederbeteiligung. Eine Besonderheit sind die Parteien auf europäischer Ebene (Euro-Parties), die sich als Föderationen nationaler Parteien im Vorfeld von Europawahlen über nationale Unterschiede hinweg auf eine gemeinsame Wahlplattform verständigen müssen. Entsprechend sind Prozesse der programmatischen Willensbildung und Entscheidungsfindung in politischen Parteien ein zentrales Forschungsfeld, dem wir uns im Rahmen verschiedener Projekte entlang der folgenden Leitfragen widmen.
Leitfragen
- Wie entscheiden Parteien über ihre Programmatik?
- Unter welchen Bedingungen wandelt sich Parteiprogrammatik und unter welchen Bedingungen bleibt sie stabil?
- Welche Akteure sind auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt an der Formulierung von Policies beteiligt?
- Wer setzt sich wie mit seinen Interpretationen und Policy-Präferenzen im innerparteilichen Wettbewerb durch?
- In welchem Zusammenhang stehen kollektive Deutungsschemata der Mitglieder mit den Programmdokumenten?
Projekt: Parteienförderung und Parteieninstitutionalisierung im Demokratisierungsprozess
Parteienförderung und Parteieninstitutionalisierung im Demokratisierungsprozess
International vergleichende Analysen zur Parteienentwicklung konstatieren oft die paradoxe Erkenntnis, dass politische Parteien einerseits die zentralen politischen Institutionen einer „funktionierenden“ Demokratie darstellen, andererseits aber maßgebliche Funktionen – etwa die Verbindung von Staat und Gesellschaft – nicht (mehr) adäquat erfüllen und als Organisationen schwächer werden (Mitgliederverlust, nachlassende Mobilisierungsfähigkeit etc.). Dies gilt (in unterschiedlichem Ausmaß) für Parteien in „jungen“ wie in „etablierten“ Demokratien.
Die Party-Change-Forschung hat diesbezüglich entlang unterschiedlicher konzeptioneller Zugänge aufgezeigt, dass sich Parteien aufgrund interner und externer Faktoren gründen, entwickeln, institutionalisieren oder deinstitutionalisieren (u.a. Panebianco, Katz/Mair, Harmel/Janda, Sartori, Scarrow, Svåsand/Randall). Breite Stränge der deutschsprachigen und internationalen Parteienforschung konzentrieren sich dabei auf westliche Parteien(-systeme), wohingegen Analysen zu Parteien(-systemen) in „jungen Demokratien“ eine Ausnahme darstellen.
Leitfragen
- Wie entwickeln sich Parteien in unterschiedlichen regionalen und demokratischen Kontexten?
- Welche Muster von Gründung, Institutionalisierung oder Zerfall sind bei der Parteientwicklung erkennbar?
- Welche Rolle spielt externe Parteiförderung bei der Institutionalisierung von Parteien in Demokratisierungsprozessen?
Publikationen
Rezensionen
Ansprechpartnerin
Dr. Kristina Weissenbach (in Elternzeit)
Tel.: +49 (0) 203/379 – 3742
Mail: kristina.weissenbach@uni-due.de
Projekt: Neue Parteien in Europa. Eine vergleichende Pilotanalyse der Parteieninstitutionalisierung in zwei EU-Mitgliedstaaten
Neue Parteien in Europa. Eine vergleichende Pilotanalyse der Parteieninstitutionalisierung in zwei EU-Mitgliedstaaten
Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in zwölf europäischen Mitgliedstaaten haben die europäischen Parteiensysteme im „Superwahljahr 2015“ ins Wanken gebracht. Im rechten und linken Spektrum der Parteiensysteme haben sich neue Parteien gebildet (wie die linke Syriza in Griechenland, Parteien wie Ciudadanos und Podemos in Spanien oder die neue grüne Partei The Alternative in Dänemark) oder vormals unbedeutende Parteien (wie die rechtspopulistische Kukiz 15 in Polen) verfestigt. Diese Parteien unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer ideologischen Ausrichtung auf der links-rechts Achse, sondern vor allem in Bezug auf die Art und Weise ihrer Gründung als Abspaltung einer bereits bestehenden Partei, als Zusammenschluss von Parteien oder als komplette Neugründung. Zudem differieren sie hinsichtlich des Grades ihrer Institutionalisierung zum Zeitpunkt ihres Eintritts in ein nationales Parlament.
Vor dem Hintergrund eines mehrdimensionalen und prozessualen Verständnisses von Parteieninstitutionalisierung, das über Wahlerfolge und parlamentarische Sitzverteilung hinaus geht ist das Ziel der Pilotanalyse, herauszufinden, ob und wie (welche Aspekte) der Institutionalisierung für den langfristigen Erfolg oder Misserfolg einer neuen Partei ausschlaggebend sind.
Entlang von sieben Dimensionen der Parteieninstitutionalisierung und unterschiedlichen ‘objektiven’, ‘internen’ und ‘externen’ Indikatoren wird der Prozess der Parteieninstitutionalisierung in ausgewählten Fällen analysiert. Exemplarisch stehen die neuen Parteien in Griechenland und Spanien dabei für alle drei ‚Parteigründungstypen’ (Abspaltungen, Zusammenschlüsse und Neugründungen) sowie für unterschiedliche Stadien der Institutionalisierung.
Während der Datenzugang zu ‘objektiven’ Aspekten der Parteieninstitutionalisierung (wie z.B. Parteialter, Wahlerfolg, Sitzverteilung im nationalen Parlament, Mitgliederzahlen) – gerade im europäischen Kontext – gut zugänglich und für die Forschung nutzbar sind, so bedarf die Analyse von ‘internen’ und ‘externen’ Indikatoren der Parteieninstitutionalisierung, die häufig informal sind (wie z.B. Kohärenz einer Partei, interne und externe Abhängigkeitsverhältnisse, innerparteiliche Willensbildungsprozesse oder das Vertrauen der Bevölkerung in eine Partei), aufwändiger Mixed-Methods-Forschungsdesigns, bestehend aus Umfragedaten, Daten aus Interviewführung und Beobachtungsprozessen vor Ort.
Unter anderem dieser Befund mag begründen, weswegen eine Vielzahl der Studien zur Institutionalisierung der Parteien bislang nicht auf die Ebene einzelner Parteien fokussieren, sondern die Analysen der Institutionalisierung von Parteiensystemen als Ganzes häufig im Vordergrund stehen.
An dieser Forschungslücke setzt die Pilotstudie mit einem Mixed-Methods-Ansatz aus ExpertInnen(online-)umfrage und leitfadengestützter, teilnarrativer Interviewführung sowie Beobachtungsprozessen vor Ort an.
Leitfrage
- Welche Bedeutung haben die Gründungsform und der Institutionalisierungsprozess einer neuen Partei zum Zeitpunkt ihrer Wahl in ein nationales Parlament für den langfristigen Erfolg oder Misserfolg der Partei?
Publikationen
- Lefkofridi, Zoe / Weissenbach, Kristina (2018): The institutionalization of new parties in Europe, in: Harmel, Robert / Svasand, Lars (Hrsg.): Institutionalization and De-Institutionalization of Parties: Comparative Cases, Colchester: ECPR Press, i.E.
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- Weissenbach, Kristina (2016): “Neue Parteien in Europa. Zur Bedeutung von Parteiorganisation und -instiutionalisierung für die Wettbewerbsfähigkeit neuer Parteien in Europa”, Konferenzpapier für die Jahrestagung 2016 des Arbeitskreises Parteienforschung der DVPW, Universität Trier.
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Ansprechpartnerin
Dr. Kristina Weissenbach
Tel.: +49 (0) 203/379 – 3742
Mail: kristina.weissenbach@uni-due.de
Projekt: Kommunale Repräsentation und gesellschaftliche Vielfalt
Wie wird gesellschaftliche Vielfalt auf der kommunalen Ebene repräsentiert? Was sind die inhaltlichen Schwerpunkte kommunalpolitisch Engagierter? Welches Au smaß und welche Folgen haben gegen Amts- und Mandatsträger:innen gerichtete Anfeindungen ?
Weil wir dazu keine aktuelle Datengrundlage haben, schaffen wir diese ab April 2022 mit einer von der Professur für Public Policy und Landespolitik (Prof. Dr. Andreas Blätte) durchgeführten Online-Befragung. Unsere Erhebung zu kommunaler Repräsentation und gesellschaftlicher Vielfalt konzentriert sich dabei auf die deutschen Großstädte (≥100.000 Einwohner).
Unser Untersuchungsinteresse gilt der (bedrohten) Repräsentation unterschiedlicher Gruppen und verschiedener Interessen in der kommunalen Demokratie. Diese Großstadtbefragung ist eine zentrale neue Datenbasis für neue Erkenntnisse zur Repräsentation sozialer und kultureller Pluralität sowie zu den Schwierigkeiten der Amtsausübung durch Bedrohungserfahrungen.
Die Großstadtbefragung wird flankiert von einem Datensatz mit Strukturdaten. Hierzu zählen u. a. Informationen zum durchschnittlichen Haushaltseinkommen in einer Großstadt, Arbeitslosigkeit, zum Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund oder zur Altersstruktur. Unsere Untersuchung basiert damit auf drei Säulen.
Repräsentation |
Bedrohung |
Kontextfaktoren |
Repräsentation einer pluralen Gesellschaft in kommunalen Wahlämtern |
Bedrohungen als Herausforderung bei der Ausübung des Mandats |
Politische, soziale und ökonomische Strukturdaten der Großstädte |
Die Auswertung der Großstadtbefragung wird im Rahmen einer Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt. Weitere Ergebnisse werden in politikwissenschaftlichen Fachpublikationen veröffentlicht. Die Stiftung fördert auch die Durchführung der Erhebung an der Universität Duisburg-Essen.
Das Team der Großstadtbefragung
Administrative und konzeptionelle Verantwortung: Prof. Dr. Andreas Blätte
Konzeptionelle Mit-Verantwortung: Laura Dinnebier und Merve Schmitz-Vardar
Studentische Mitarbeitende: Sarata Diane, Gabriel Kurz, Jan Erik Lutz und Silvia Mommertz
Informationen zum Nachhören
Informationen zum Projekt finden Sie auch zum Nachören im “Politischen Pausen Podcast” von Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte.
Datenschutzkonzept
Die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten setzen die gesetzlichen Bestimmungen des Datenschutzes um. Daten werden in pseudonymisierter Form auf einem Server der Universität Duisburg-Essen verschlüsselt gespeichert. Auswertungen erfolgen ohne Rückschlussmöglichkeit auf die einzelne Person. Unsere ausführlichen Datenschutzhinweise können Sie hier aufrufen. Bei Rückfragen zum Datenschutzkonzept steht Ihnen das Team der Großstadtbefragung gerne auch unter der Mailadresse grossstadtbefragung@uni-due.de zur Verfügung.
Nachwuchsforschungsgruppe: Digitale Parteienforschung. Parteien im digitalen Wandel
Im Januar 2018 startete das Projekt „Digitale Parteienforschung. Parteien im digitalen Wandel“. Im Rahmen der Förderlinie „Digitale Gesellschaft“ unterstützt durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW können Dr. Isabelle Borucki (Nachwuchsgruppenleiterin), Prof. Dr. Christoph Bieber und Dr. Kristina Weissenbach für fünf Jahre eine Nachwuchsforschungsgruppe initiieren. Das Projektteam umfasst zwei Promotionsstellen, wissenschaftliche Hilfskräfte sowie ein flankierendes Fellowship-Programm für GastwissenschaftlerInnen. DIPART verfolgt das Ziel, den digitalen Wandel von Parteien in Deutschland zu verstehen und Gestaltungswissen für die Rolle von Parteien bei der Stärkung und Sicherung der Demokratie zu generieren.
In welcher Weise transformieren die deutschen Parteien ihre organisationale, funktionale und prozessuale Form und Funktion im Zuge der Digitalisierung von Gesellschaft und Politik? Dieser übergeordneten Forschungsfrage geht das Projekt im Vergleich der deutschen Parteien nach und verfolgt dabei einen integrativen theoretisch-methodischen Ansatz. Dieser fokussiert nicht nur auf die Art und Weise von Onlinediskursen, ihrer Genealogie und potentieller Möglichkeiten des Empowerment, sondern auf Verknüpfungen zu Deliberations- und Institutionentheorien. Der Begriff von E-Democracy als Ergänzung zu klassischen Partizipationsformen wird dann normativ für die Stärkung demokratischer Verfahren zur Teilhabe an aktuellen politischen Entscheidungen gesetzt. Parteien sind in dieser Hinsicht von zentraler Bedeutung, da sie den entsprechenden Handlungsrahmen zur Verfügung stellen.
Um die übergeordnete Forschungsfrage zu diskutieren, ist das Projekt in drei Teiluntersuchungen aufgeteilt. 1. Digitalisierung als Momentum für den Organisationswandel von Parteien und zugleich als Chance, die Transformation der Gesellschaft durch Partizipation aktiv mitzugestalten, untersucht die parteiinterne Seite digitaler Transformation. 2. Digitalisierung als Treiber für politische Partizipation und Umweltfaktor für Parteien. In diesem Schwerpunkt des Projekts werden zwei Teilstudien (als Promotionen) zur Qualität digitaler Diskurse in und über Parteien sowie ihrer digitalen Mobilisierungskraft angefertigt. 3. Digitalisierung als methodisches Paradigma bildet die Verbindung zwischen den inhaltlichen Teilprojekten.
Mehr über DIPART erfahren Sie hier.
AnsprechpartnerInnen
Dr. Isabelle Borucki
Tel.: +49 (0) 203/379 – 4106
Mail: isabelle.borucki@uni-due.de
Dr. Kristina Weissenbach (in Elternzeit)
Tel.: +49 (0) 203/379 – 3742
Mail:kristina.weissenbach@uni-due.de
Stine Ziegler, M.A.
Mail: stine.ziegler@uni-due.de