Call for Papers: Von der Bewegung zur Partei.

Call for Papers von Dr. Kristina Weissenbach (Universität Duisburg-Essen / University of Washington) und Prof. Dr. Nicole Bolleyer (University of Exeter / Ludwigs-Maximilians-Universität München) Thema: Von der Bewegung zur Partei. Das Zusammenspiel von Parteien und sozialen Bewegungen im internationalen Vergleich. Vorschläge können bis zum 28. Februar 2021 eingebracht werden. 

Zeiten von Unsicherheit und Autokratisierung in unterschiedlichen nationalen Kontexten ist häufig gemein, dass sich die Bürgerinnen und Bürger eines Staates nicht mehr ausreichend von etablierten Parteien vertreten fühlen und sich deswegen in sozialen Bewegungen engagieren und organisieren. Insbesondere seit der Wirtschafts- und Finanzkrise konnten wir ein gesteigertes Interesse an hybriden Organisationsformen und den Durchbruch neuer Parteien beobachten, die entweder organisatorisch aus Bewegungen (Movements) entstanden sind oder sich mit diesen zusammengeschlossen haben. Auch konnte die Institutionalisierung neuer Parteien beobachtet werden, die vor allem rhetorisch auf dem ‚Movement-Image‘ aufbauen, wie man es am Beispiel der spanischen Partei Podemos beobachten kann (Barberà/Bario/Rodríguez-Teruel 2019; Weissenbach 2020). Vor allem im südeuropäischen Raum zeigen sich mit der Etablierung neuer Parteien wie Syriza, Movimento 5 Stelle oder Podemos Beispiele die auf sehr unterschiedlichen Interaktionsmustern zwischen Bewegung(en) und Parteiorganisation aufbauen (della Porta 2017; Barberà/Bario 2019; Gerbaudo 2019). Auch La République en Marche in Frankreich oder das parallele Erstarken der Alternative für Deutschland und der Protestbewegung Pegida zeigen weitere Spielarten dieses Gesamtphänomens.

Hutter, Kriesi und Lorenzini (2019) bezeichnen Zeiten der Unsicherheit und Krisen der Repräsentation als ideale Voraussetzung für die Gründung von Organisationen, die Facetten von Netzwerken und Bewegungen einerseits und Parteien andererseits verbinden. Kitschelts (2006) Definition von „Bewegungsparteien“ als Koalitionen von Aktivistinnen und Aktivisten bildet dabei häufig die Grundlage. Almeida (2010) spricht in diesem Kontext vom „social movement partyism“, Bennett und Segerberg (2013) von „connective action networks” und vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung von (Partei-)Organisation von „connective parties“ (Bennett, Segerberg und Knüpfer 2017). Hier zeigt sich, dass internet-basierte Technologien und das Verständnis horizontaler und netzwerkartiger Aushandlungsprozesse die Art und Weise wie sich soziale Bewegungen und daraus entstandene Parteien organisieren und mobilisieren verändert (e.g., Bolleyer et al. 2015; Castells 2015; Bennett 2005; Weissenbach/Beyer 2020).

Nachdem die Sozialwissenschaften lange zwischen Bewegungsforschung, Forschung zu Zivilgesellschaft und Parteienforschung getrennt haben, wurden zuletzt stärker Versuche unternommen diverse Stränge (wieder) zusammenzubringen (McAdam/Tarrow, 2010, 2013; Schwartz 2010; Hutter/Kriesi 2013; della Porta et al. 2017; Jun 2019; Bolleyer/Correa 2020; i.E.), eine Entwicklung auf der das geplante Panel aufbaut.

Das Panel ist an theoretisch-konzeptionellen, sowie empirischen (sowohl international vergleichenden als auch fallstudien-orientierten) Beiträgen interessiert. Folgende Schwerpunkte sollen diskutiert werden:

  1. Erklärungen des Zusammenspiels von sozialen Bewegungen und politischen Parteien

Welche Erklärungsfaktoren beeinflussen die Art der Interaktion zwischen sozialen Bewegungen und (alten und neuen) Parteien?

  1. Prozess der Formierung von „Bewegungsparteien“ und deren Institutionalisierung

Unter welchen Bedingungen entstehen neue Parteien aus Bewegungen?

Wie verlaufen Formierungsphasen neuer Parteien aus Bewegungen? Welche Interaktionsmuster sind zu beobachten?

Welche Faktoren erklären den Erfolg/Misserfolg solcher Formierungsprozesse?

Welche Bedeutung hat der Ursprung einer neuen Bewegungspartei für ihre Institutionalisierung?

  1. Konsequenzen von „Bewegungsparteien“

Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Aufkommen neuer „Bewegungsparteien“ für ‚traditionelle‘ Parteien (Organisation, Programmatik) und die Entwicklung von Parteiensystemen?

Welchen Effekt haben „Bewegungsparteien“ auf Demokratie?

Das Panel wird von der Sektion Vergleichende Politikwissenschaft und dem Arbeitskreis Parteienforschung unterstützt. Bitte reichen Sie Ihre Vorschläge bis zum 28. Februar 2021 über die Konferenz-Webseite ein.

Teile diesen Inhalt: