Neuerscheinung „Die SPD. Anamnese einer Partei.“ liefert Erklärungsmuster zum GroKo Streit

Die SPD. Anamnese einer Partei.Im Nomos Verlag ist mit „Die SPD. Anamnese einer Partei“ der sechste Band der von Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte herausgegebenen Schriftenreihe „Die politischen Parteien der Bundesrepublik Deutschland“ erschienen. Die Erkenntnisse des Autorenteams Dr. Timo Grunden, Maximilian Janetzki und Julian Salandi lassen sich wie eine Schablone auf die aktuellen Ereignisse nach der Bundestagswahl 2017 anlegen und bieten ein Erklärungsmuster der jüngsten innerparteilichen Entwicklungen der SPD.

Drei zentrale Thesen

1. Das Buch kann zeigen, dass die Auseinandersetzungen um die Bildung einer Großen Koalition einen grundlegenden Konflikt innerhalb der SPD wiederspiegeln: Das gegenseitige Misstrauen zwischen den Regierungseliten der Partei einerseits und den Funktionären und der Basis andererseits. Die kritische Haltung der Mitglieder und der Funktionsträger gegenüber den Führungseliten ist nicht neu. Im Gegenteil. Sie prägt die Organisationskultur der SPD seit dem Kaiserreich. Relativ neu ist jedoch das Misstrauen, zum Teil gar die Geringschätzung, die die Führungseliten dem sogenannten Mittelbau und den Aktiven an der Basis entgegenbringen. „Diese Spaltung zwischen „oben“ und „unten“ in der SPD, die in der Ära Schröder/Müntefering eskaliert, zeugt von einem Führungsversagen, das die Handlungs- und Kampagnenfähigkeit der Sozialdemokratie bedroht.“, so Grunden.

2. Ein zweiter Blick auf die Organisationsstruktur ist ebenfalls lohnenswert, denn Salandi betont, dass die aktuelle Diskussion um die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen die Stratarchie der SPD zu Tage fördere: „Sowohl vertikal – über Parteiflügel, Strömungen und klar positionierte Parteiorganisationen wie den Jusos – als auch horizontal wirken die innerparteilichen Kräfte klar sichtbar und nahezu typisch für eine lose verkoppelte Anarchie.“ So versucht die Parteiführung auch nach der letzten Bundestagswahl im Hinblick auf eine mögliche Regierungsbeteiligung die Geschlossenheit der Partei so weit wie möglich zu wahren. Die genuin wichtige und streitbare Parteibasis fordert hingegen eine breite Mitbestimmung bei der Frage einer Regierungsbeteiligung ein – es geht auch in diesen Tagen
um strukturelle Konflikte, wie sie seit Parteigründung ausgefochten werden. Das Instrument des Mitgliedervotums ist der Blitzableiter der SPD. In der erneuten GroKo Frage gibt es der Parteibasis die Bedeutung, die sie beansprucht und ermöglicht der Parteispitze gleichzeitig eine gewisse Steuerbarkeit der anarchisch anmutenden innerparteilichen Auseinandersetzung.

3. Strategisch wird offenbar, dass die SPD mit ihrem Entschluss einen Wahlkampf ohne vorbereitete Mehrheitskonstellationen zu führen, sich in eine Situation manövriert hat, in der die Große Koalition als ihre einzige Regierungsperspektive verbleibt. Ableitend von den beidenvergangenen Erfahrungen dieser Konstellation wird es den Sozialdemokraten wiederum schwerfallen, ihre Personen und Inhalte zu positionieren und als Juniorpartner unter Kanzlerin Angela Merkel ihr Profil zu schärfen. Janetzki zieht ein ernüchterndes Fazit: „Schafft es die Sozialdemokratie nicht, längst überfällige inhaltliche Diskussionen innerparteilich zu führen und sich personell zu erneuern, muss sie um die Rolle als zweitstärkste Partei in Deutschland fürchten.“

Im Zentrum der Reihe „Die politischen Parteien der Bundesrepublik Deutschland“ stehen für jede der sechs untersuchten Parteien die Innenansichten der Macht: die machtpolitische Architektur der innerparteilichen Demokratie. Die Buchreihe zeichnet sich durch eine systematische Darstellung der Wirkungsgeschichte, der internen Entscheidungsprozesse und der strategischen Entwicklungspotentiale der CDU, der SPD, der CSU, der FDP, von Bündnis 90/Die Grünen und der Partei Die Linke aus. Die Redaktion der Reihe leitet Dr. Niko Switek an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen.

Weitere Informationen zur Publikation finden Sie hier.

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