Vorstellung des Bandes „Regieren in der Einwanderungsgesellschaft“: Jens Spahn zu Gast an der NRW School of Governance

Vorstellung des Bandes “Regieren in der Einwanderungsgesellschaft”: Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte, Jens Spahn, Prof. Dr. Andreas Blätte, Dr. Niko Switek

Die Flüchtlings- und Asylpolitik beherrscht weiterhin die politische Agenda in Deutschland und Europa. Alle politischen Akteure sind herausgefordert, Antworten und Positionen auf die hohe Zahl der Asylsuchenden anzubieten. In kurzen, prägnanten Analysen und Essays hat die NRW School of Governance dieses Thema in ihrem 10 jährigen Jubiläum begleitet. Zur Vorstellung des Bandes am vergangenen Mittwoch konnte mit Jens Spahn, MdB und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, ein Experte gewonnen werden.

Gemeinsam mit 21 weiteren Autoren diskutierte Jens Spahn bereits im Jahr 2015 Chancen und Risiken des Flüchtlingszustroms in seinem Buch “Ins Offene”. Es eröffnete diverse Perspektiven auf die aktuelle Entwicklung. Autoren wie beispielsweise Herfried Münkler, Boris Palmer, Julia Klöckner, Klaus von Dohnanyi, Wolfgang Niersbach, Markus Söder oder Paul Ziemiak beleuchteten Risiken und Chancen und wagten einen Ausblick auf die kommende Monate und Jahre. Offen wirft das Werk Fragen wie “Grenzen öffnen oder schließen?” oder “Schaffen wir das, oder schafft es uns?” auf. Und auch Spahn kritisiert in seinem Beitrag den Kurs der Kanzlerin. Das Buch gilt als eines der Vorreiter in der deutschen Debatte um Migration und Ursachen, Wirkungen und Ziele im Umgang mit diesen Entwicklungen. Daran schließt “Regieren in der Einwanderungsgesellschaft” an, indem entlang der fünf Themenfelder Politikmanagement, Parteien und Willensbildung, Wahlen und Wählen, wissenschaftliche Politikberatung und politische Bildung sowie Sprache und politische Kommunikation mit verschiedenen disziplinären Ansätzen die Entwicklungen diskutiert werden, um darüber hinaus das Verständnis für die anstehenden Herausforderungen zu schärfen und mögliche Lösungsansätze zu skizzieren.

Nach einem Grußwort von Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte führte Spahn in einem Impuls zunächst in die Thematik ein. Die erste These Spahns lautete, dass die deutsche Politik, nach der Eurokrise, Mitte 2015 nahezu unvorbereitet mit den Fluchtbewegungen konfrontiert wurde, deren Konsequenzen nicht mehr nur für Orte wie Lampedusa spürbar waren. Das deutsche Regierungssystem, so Spahn, geriet unter Streß und ist es bis heute. Darüber hinaus argumentierte Spahn, dass Integration nicht erst seit den Fluchtbewegungen des vergangenen Jahres ein Thema sei, dass gesellschaftlich kontrovers diskutiert werde. Vor allem der enorme Erfolg des Buches von Thilo Sarrazin, erschienen im Jahr 2010, sei ein Zeichen dafür. Seine dritte These postulierte, dass sich das deutsche Parteiensystem verschieben wird. So würde die inhaltliche Positionierung der Parteien hinsichtlich Themen wie Migration, Integration und Sicherheit zu einer Polarisierung des politischen Systems führen. Für Spahn, so These vier, ist der Erfolg populistischer Parteien nicht allein über das Argument der Angst erklärbar. Vielmehr ist es keine Angst vor einem sozialen “Abgehängt-Sein”, sondern die Angst eines kulturell bedingten “Abgehängt-Sein”. Alles in allem werde all dies jedoch zu einer Politisierung der Gesellschaft führen, die Streitbarkeit von Themen und das argumentative Ringen um Lösungen steige wieder und damit auch die Wahlbeteiligung.

Im Gespräch mit Prof. Dr. Andreas Blätte, Professor für Public Policy und Landespolitik, und dem Publikum wurde im Anschluss weiter diskutiert. So stand zur Debatte, ob die Erkenntnis, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, neu ist. Auch die Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes stand zur Diskussion, so erläuterte Spahn, dass Regeln und Gesetze bereits bestehen würden, nur nicht zusammengefasst an einheitlicher Stelle. Für ihn ist diese Diskussion auch ein Problem der Politikvermittlung: “Wir haben Regeln, aber das hat keiner mitbekommen.” Auch der Bundesparteitag der CDU, der im Vorhinein der Buchvorstellung in Essen stattfand, lieferte, mit dem Burkaverbot und der Wiedereinführung der Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, Gesprächsstoff. Der Leitantrag des Parteivorstandes, an dem sich auch Spahn beteiligte, sieht neben dem Verbot der Vollverschleierung auch Transitzonen für Flüchtlinge und eine schärfere Sicherheitspolitik vor: “An Recht und Gesetz muss sich jeder Tourist halten. Es geht darum, ob man sich als Teil der Gemeinschaft sehen will.” Für Spahn ist das Eintreten für Recht und Ordnung kein rechtes Thema. Es gebe Zeiten, die Signale nach innen und außen bräuchten. So sei das vorgesehene Burkaverbot zwar symbolischer Natur, es mache jedoch deutlich, welche Ansprüche Deutschland als aufnehmende Gesellschaft stellt.

Auf die Frage, ob die CDU sich, insbesondere im Hinblick auf die AfD, verändern würde, antwortete Spahn mit einem deutlichen “Nein”. Dennoch wird sich hinsichtlich der anstehende Bundestagswahl zeigen, ob die Partei in der Lage ist den eigenen Ansprüchen und den Anforderungen einer polarisierteren Gesellschaft gerecht zu werden. So betonte Spahn, dass statt dem Einebnen von Unterschieden zwischen den Parteien, unterschiedliche Lösungsansätze erarbeitet und grundsätzlicher diskutiert werden müssen.

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